Beispiel einer Tanzkompanie

Müssen Bonsais auch in die Baumschule? Die Ratsvorschau 6/23

Liebe FRAKTIONsfreund:innen, 

„ich weiß nicht, warum ich euch so hasse, Tanztheater dieser Stadt”. Diese Zeilen sang Tocotronics Dirk von Lowtzow 1995 im Song Freiburg. Das Album “Digital ist besser” wurde zu einem Meilenstein der deutschsprachigen Musikgeschichte und Tocotronic vom Langeweilermagazin Spex sogar zur drittbesten Band des Jahres 95 gewählt. 

Ein Tanz auf dem Vulkanisierwerk

In unserer Ratsvorschau für die Sitzung des Kölner Stadtrats am 15.6.2023 geht es, Überraschung, auch um Tanztheater. Oper und Schauspielhaus befinden sich seit 2012 in einer Sanierungsspirale, die die Kölner:innen bislang über eine Milliarde Euro gekostet hat, und das teuerste Kulturbauprojekt der Bundesrepublik darstellt. Damit wurde Köln zum Gespött der Steuerzahlenden und zum Liebling der technischen Gebäudeausstatter. Einer der Kostentreiber ist die immer neue Unterbringung der Aufführungen in angemieteten Interims. 

Für 2024 ist nun die Eröffnung der sanierten Bühnen anvisiert, und das würde auch das Ende des Ausweichstandorts Depot bedeuten, in dem jetzt das Schauspiel untergebracht ist. In der Köln-Mülheimer Industriebrache, dem ehemaligen Werksgelände von Felten & Guilleaume, ist in den vergangenen Jahren etwas entstanden, dass, wohlwollend formuliert, die Anmutung von Gärtnern im Gleisdreieck mit rostigen Objekten aus Überseecontainer verbindet, dabei aber geschickt verbirgt, dass die ganze Kunst viele Millionen verschluckt hat, die der Stadt an anderer Stelle bitter fehlen. 

Wer jetzt glaubt, mit dem Ende der Sanierung seien die Verantwortlichen froh, die Interims los zu sein, täuscht sich. Tatsächlich ist geplant, das Depot weiter zu betreiben und zu diesem Zwecke eine Tanzkompanie aufzubauen. Eine Tanzkompanie muss man sich vorstellen wie das Fernsehballet, nur ohne Fernsehen, nicht zu verwechseln mit den Tanzkorps, denn die arbeiten ehrenamtlich.  

Dabei will man, es ist ja Köln, ganz oben mitspielen und einen Tanzpalast der ersten Güte etablieren. Das Gebäude soll für weitere 15 Jahre angemietet werden und mehrere Millionen in den Ausbau fließen. Dazu kommt die Etablierung der eigenen Tanzkompanie, die es braucht, um das nicht näher bezeichnete “gesamte Publikumspotential” auszuschöpfen. Mit einem größerem Tanz-Zentrum ließe sich ein international vernetzter Tanzkosmos schaffen. Würde man jetzt nicht handeln, würde man die Stärken der Tanzstadt Köln in Tanzausbildung, Tanzforschung, Tanzproduktion und Tanzbildung ungenutzt lassen. Außerdem wäre die künstlerische Erfolgsgeschichte des niederschwelligen Kulturortes in Köln-Mülheim unwiederbringlich verloren. Gerade daran darf aber getrost gezweifelt werden, denn Aufführungen wie “Der Schauspielintendant und der Bänker von der Greensil-Bank“ werden noch lange in den Köpfen des Publikums präsent sein. Insgesamt wird der Spaß im Depot wohl an die 9 Millionen pro Jahr kosten. Dazu kommen die 3,5 Millionen, die die Bühnen für eine bundesweite Mobilisierungskampagne zum “Neustart Offenbachplatz” bereitgestellt haben möchten. 

Die Kliniken der Stadt Köln

Für eine Milliarde Euro ist auch die Standortkonzentration der Kliniken der Stadt Köln zu haben. Die Kliniken sind hochdefizitär, und nachdem sich die Politik viele viele Jahre gesträubt hat, notwendige Sanierungen anzustoßen oder von der Fusion mit der Uniklinik geträumt hat, soll nun gehandelt werden. Am Standort des Krankenhauses Merheim werden zukünftig die Abteilungen des Holweider Krankenhauses und der Kinderklinik zusammengefasst, wenn der Beschluss nicht, wie bei der letzten Ratssitzung, vertagt wird. 

Mahnmal zum Gedenken des Völkermords an den Armeniern

Als FRAKTION sind wir nur mit einem Antrag vertreten. Wir wollen einen dauerhaften Standort des Mahnmals zum Gedenken des Völkermords an den Armeniern, begangen durch das Osmanische Reich mithilfe des deutschen Kaiserreichs. In Köln lebt die größte armenische Gemeinschaft Deutschlands, daher ist hier der richtige Ort, auch wenn nationalistische türkische Verbände dies anders sehen. Daher haben wir auch für diese Bevölkerungsgruppe mit dem Vorschlag eines klitzekleinen Erdogan-Denkmals ein gesichtswahrendes Angebot. 

Bäume: Nützlich oder nervig?

Müssen Bonsais auch in die Baumschule? Wenn es nach der neuen Baumschutzsatzung der Stadt Köln geht, vielleicht. Auch die Frage, ob Bäume liebenswerte Mitgeschöpfe oder laubabwerfende, Autos verharzende Schmutzfinken und Pollenschleudern sind, die nur als Hundeklo taugen, beantwortet die neue Baumschutzsatzung mit einem klaren ja. Bäume unterliegen unserem Schutz, besonders die alten, großen und wehrlosen Bäume. Bäume zweiter Klasse bleiben Nadelbäume. Damit ist für die Beseitigung alter Bäume zukünftig eine Genehmigung erforderlich, sowie entsprechende Ersatzpflanzungen. Außerdem kostet der entsprechende Bescheid richtig viel Holz.  

Wir haben da ein Problem mit der Kommunikation

Unser Antrag zur Kommunikation im öffentlichen Raum, der darauf abzielte, Bürger:innen über städtische (Bau-) Maßnahmen in einem Umfang zu informieren, der über der Aufschrift auf rot-weißem Flatterband hinausgeht, wurde zwar letztes Jahr angenommen, aber von der Verwaltung nicht umgesetzt. Sonst wären wohl kaum Tourist:innen stinksauer über die für den Verkehrsversuch umgeordnete Trankgasse gestolpert und hätten die Orientierung verloren. Daher fragen wir mal nach: Hey Stadt, wie ist der Sachstand? 

Investor will lieber Büros verkaufen statt Sozialwohnungen vermieten

“Von einem, der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte” war der Titel einer Oper, zu der Tocotronic-Frontman von Lowtzow die Musik beisteuerte. Das könnte der Soundtrack zum Bebauungsplan-Entwurf für eine der prominentesten Kölner Bauflächen sein: Das Grundstück gegenüber dem FRAKTIONs-Büro (und des Roncalli-Platzes). Der Investor, die Gerch-Gruppe, sieht sich aufgrund der inflationsbedingten Preissteigerungen nicht mehr in der Lage, in den neuen Gebäuden Wohnflächen zu erstellen, vor allem keinen preisgebundenen Wohnraum, und bittet um eine Änderung der Bausatzung. Ein Vorgang, den der sonst investorenfreundliche Stadtanzeiger entschieden ablehnt. Die Stadt solle auf keinen Fall vor dem Investor einknicken, sonst würden sich andere Investoren ein Beispiel nehmen und sich die Wohnungsnot in der Innenstadt noch weiter verschärfen. 

Weitere Punkte auf der Tagesordung

Außerdem: Die Linke fragt, warum so viele eigentümliche Gremien im Umfeld des Stadtentwicklungsausschusses entstehen. Neue Straßen sollen so lange nach Frauen benannt werden, bis Parität zu den männlichen Namensgebern hergestellt ist. Am Berufskolleg Lindenstrasse soll ein Bildungsgang Polizei eingeführt werden. Wenn sie es für keine gute Idee halten, ihre Kinder Erzbischof Rainer Maria Woelki anzuvertrauen und sie wollen die katholische Grundschule ihrer Kinder lieber in eine Gemeinschaftsgrundschule umgewandelt sehen, findet sich in der kommenden Ratssitzung eine Blaupause. 

Erhöhung der Fraktionszuwendungen

Die Fraktionszuwendungen sollen inflationsbedingt um 9% erhöht werden, denn gute Mitarbeitende kosten Geld. Viel Geld. Sonst leidet die Stimmung in der Geschäftsstelle, es wird hinter dem Rücken des Chefs getuschelt (“Der Widdersdorfer hat nen neuen…”) oder die Mitarbeitenden lassen einfach mittendrin 

Tanzbild: Foto von Maick Maciel auf Unsplash