Industriekultur im Mülheimer Süden

Deutz-Areal: Das Otto + Langen-Quartier im Mülheimer Süden

In der kommenden Ratssitzung am 3.7.2025 steht mal wieder ein Jahrhundertprojekt zur Abstimmung an: der Bebauungsplan für das „Deutz-Areal“ aka Otto und Langen-Quartier in Köln-Mülheim. Schon seit Ewigkeiten wartet man darauf, dass es im „Mülheimer Süden“ losgeht. Das neue Stadtquartier“ soll rund 2.500 Wohneinheiten, Büros und sogar Bildungsinfrastruktur bescheren

🏘️ Kommt nicht voran: Die Quartiersentwicklung

Die Gründe sind so vielfältig wie diffus: Mal sind es die undurchsichtigen Besitzverhältnisse – die Stadt Köln war bereits 1996 einmal Eigentümerin großer Teile der Grundstücke , verkaufte sie aber ohne Klauseln zur Gewinnbeteiligung oder Mitspracherecht zurück. Mal sind es die Investoren, wie die Gerch Group, die nach dem Kauf von Teilen des Areals für 120-170 Millionen Euro natürlich die maximale Verwertung aus jedem Quadratmeter erzielen muss.

Besonders pikant ist die Rolle der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft NRW.URBAN, der ein Stück des Otto und Lange Quartiers gehört. Anstatt diese Flächen im Sinne des ursprünglichen Grundstücksfonds NRW an die Stadt Köln zu verkaufen, will NRW.URBAN nun „Kasse machen“ und ihr Grundstück zum Höchstpreis veräußern. Eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung wird es so nicht geben. Und die Kölner Kommunalpolitik? Sie ließ das Spekulationskarussell freilaufen und lehnte sogar 2018 einen Prüfauftrag zum Erwerb der Flächen ab.

📐 Die Vorlage zum Bebauungsplan ist eher schlecht

Der Plan liest sich wie ein tolles Versprechen: urbane Vielfalt, denkmalgeschützte Industriehallen mit neuer Bestimmung, ein Mobilitätskonzept, das fast wie ein Manifest gegen den motorisierten Individualverkehr wirkt. Wunderbarste Planungsprosa.  Man möchte fast klatschen – wäre da nicht dieses wüstentrockene Kratzen im Hals.

Denn erstens: Der Bedarf an Kitaplätzen wird in einer Randnotiz von 17 auf 37 Gruppen hochkorrigiert – aber eine Planänderung wird im Plan nichts. Keine Wohnung darf geopfert werden. Das ist keine Planung, das ist nur Prinzip-Hoffnung. Wortwörtlich heißt es:

Eine spätere Bedarfsanalyse hat einen deutlich erhöhten Gruppenbedarf in Höhe von 37 Gruppen für das Deutz-Areal hervorgebracht. Dieser rechnerisch zusätzliche Bedarf konnte aufgrund des fortgeschrittenen Planungsstands keine Berücksichtigung finden.
Bebauungsplan Deutz-Areal

Eher wenig Grün zwischen 20-geschossigen Wohnhäusern: Der Bebauungsplan des Deutz-Areals.

Es  wird auch für immer ein Geheimnis der Planer:innen bleiben, warum eine Verdoppelung der notwendigen Kitaplätze, also der Kinder im Quartier, nicht auch Auswirkungen auf die Größe und Zügigkeit der geplanten Schulen hat. Oder will man wieder auf das Kölner Modell der behelfsmäßigen Modulbauten zurückgreifen?

Und zweitens: Der Grünflächenbedarf liegt bei 69.000 m² – gedeckt werden davon gerade mal 18.000 m². Aber dafür gibt es ja besonders Grüne Verkehrswege. Vielleicht mit Palmen? Denn es ist doch absolut sicher, dass sich die Masse an Steinen und Beton unter den Bedingungen des Klimawandels extrem aufheizen wird. Die absurde Unterversorgung mit Kitaplätzen rettet vielleicht einige Kinder davor, in diesem geplanten Glutofen kross gebacken zu werden.

🤥 Verarsche 2.0

So hübsch hätte es werden können.

So hübsch hätte es werden können. Wird es aber nicht.

Für die Anwohnenden ist das alles nichts neues. Forderungen nach Parks oder Grünflächen wurden mit dem Hinweis auf dringend benötigte Wohnungen abgetan, aber seit über zehn Jahren liegt das Gelände brach. Denkmalgeschützte Industriegebäude lässt man verfallen und sie verkommen zu Müllabladeplätzen. Am Ende  werden sie nicht mehr zu retten sein und müssen investorenoptimierten Wohnraum oder Gewerbe weichen. Damit sind sie als Kultur- und Begegnungsflächen verloren.

Auch die geplante Straßenbahntrasse wird kritisch gesehen. Schon jetzt kommt es an Messetagen regelmäßig zu einem Verkehrschaos in dem Bereich. Wie sich zwei Straßenbahngleise nebeneinander über die Deutz-Mülheimer Straße zwängen sollen, ist unklar.

⏰ Die Schulbau-GmbH erwacht

Kaum ist der Baudezernet Oberbürgermeister-Kandidat, wird die Ratssitzung mit Vorlagen zum Schulbau geflutet. Mal klein, wie ein Erweiterungsbau oder energetische Ertüchtigung, mal richtig groß wie das geplante Gymnasium in Porz, dass die Stadt für 334 Millionen anmieten will. 

Bilder: Fenster im Backsteinbau von Tara Evans, Cafe von Maaike Vrijenhoek, beides  Unsplash